Tisch der Nationen _ Bundesgartenschau 2023

Russische Föderation

Russland

Nadja Olfert

Die Gestaltung des russischen Stuhls innerhalb eines Friedensprojekts war für mich – angesichts der aktuellen Situation und vieler antirussischer Haltungen – sowohl von Bedeutung als auch eine Herausforderung. 

Wie die schönen Seiten des Landes zeigen, ohne zu beschönigen? 

Wie die rauen Seiten zeigen, ohne abzustoßen?  

Wie die aktuelle Kriegs-Realität mit einbeziehen, ohne Hass zu streuen?  

Wie den Betrachter hineinnehmen in die Kultur und Denkweise der russischen Bevölkerung? Ohne zu vergessen, dass jedermanns und auch meine Sicht subjektiv und von eigener Erfahrung geprägt ist und letztere wiederum überwiegend von dem deutschen Land und dessen Kultur geprägt wurde? 

Ich habe in meinen Stuhl daher mehrere Elemente, die ich mit Russland verbinde, kontextunabhängig zusammengebracht.  

Der rote Stern erinnert an die Zeit des Kommunismus und ziert auch derzeit viele Gebäude des Moskauer Kreml (Московский Кремль), welcher der älteste Teil der russischen Hauptstadt Moskau und deren historischer Mittelpunkt ist.  

Die Seiten des Stuhls sind dekorativ mit floralen Mustern verziert, welche eine Anlehnung an die traditionelle Chochloma Malerei sind. Ich habe hierbei die Hintergrundtechnik nachgeahmt, musste jedoch zuerst alle Elemente in Weiß vorarbeiten, bevor ich in den traditionellen Farben Rot, Schwarz und Goldgelb arbeiten konnte. Chochloma ist eine der bekanntesten Arten der russischen volkstümlichen Malerei. Diese Volkskunst hat ihren Ursprung wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts in der Region Nischni Nowgorod. 

Ein weiteres Element im Zentrum des Stuhls ist die Nationalflagge – Weiß, Blau, Rot. 

Auf der Sitzfläche sind weitere Elemente zu finden:  

Die Birke – einer der häufigsten Bäume des Landes, Nationalsymbol und Inspiration vieler russischer Lieder, Gedichte und Gemälde.  

„Nastenka“ – die weibliche Hauptfigur des russischen Märchens und Spielfilms „Maroska“ (Морозко). Das Märchen ist das russische Pendant des Märchens Aschenputtel und Kindheitserinnerung vieler Russen.  

Der Schnee steht für die kalten Winter in Russland. In einigen Regionen werden bei Schneefall nicht nur das eigene Auto ausgegraben, sondern auch die eigene Haustüre.  

Die Kalaschnikow – eine bekannte Waffe die traditionell mit dem russischen Land assoziiert wird. Sie soll Raum schaffen für eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Russland-Ukraine-Krieg, kann gleichzeitig aber gedankliche Assoziationen zur russischen Kultur schaffen. Beispielsweise über die Beschaffenheit der Waffe, welche den Ruf hat einfach und robust zu sein.

Das letzte Element der Sitzfläche ist der Pelz: Er steht für die Liebe Russlands zum Opulenten und Schönen und die Naturverbundenheit und öffnet den Raum für Widerspruch und Provokation.

Zu guter Letzt zieren zwei kyrillische Aufschriften die Rückenlehne des Stuhls: Auf der Vorderseite die Aufschrift: “Устал  отдохни” und auf der Rückseite “не уверен – не обгоняй !” Diese zwei Aufforderungen heißen: “Bist du müde, ruh dich aus” und “Bist du unsicher – überhole nicht!” Beide stammen aus der Infrastruktur Russlands – maßgeblich dem Straßenverkehr, wo sie die Fahrer zum sicheren Fahren ermutigen und sich ganz nebenbei in deren Köpfen als Alltagsweisheit einbrennen.  

Den Betrachter laden sie zur Ruhe und zum Verweilen ein, aber auch – im übertragenen Sinne – dazu, mit dem eigenen Urteil nicht zu vorschnell zu sein.  


Foto: Herbert Geiger © BdK2023